1. Herren: Hinrundenfazit

Mit Gänseliesel Gerda und Influencer Zeidan die Liga auseinander genommen: Göttingen 05 zieht erfolgreiche Hinrundenbilanz

Was gab es in der Sommerpause für Diskussionen, als der I. SC Göttingen 05 sein Konzept zur neuen Saison präsentierte. Die Floskel „Kindergartenfußball“ machte die Runde, womit nicht nur die Leistungsfähigkeit des stark verjüngten Teams in Zweifel gezogen wurde, sondern auch die Qualitäten des neuen Kindergartenleiters Steffen Witte, der gemeinsam mit Philipp Käschel dem gesetzlich verankerten Recht auf Ganztagsbetreuung genüge tun und für die Betreuung der „Krabbelgruppe Maschpark“ in den Abendstunden verantwortlich zeichnen sollte.

Doch anders als seine schwedischen Vorbilder ertränkte das Duo die nervigen Kids nicht im IKEA Bällebad, sondern übertrug ihnen direkt Verantwortung. Marc Strzalla nach Sülbeck? Egal, die Lücke füllt Luca Bock mit Spielverständnis und Zuverlässigkeit. Gerbi Kaplan arbeitet in Celle? Dann stabilsieren wir halt die Defensive, gewinnen 2:0 statt 5:3 und wenn es doch mal schief geht, sorgt Über-Mutti Gerda Brocks für erbauliche Momente erquicklicher emotionaler Regulation: „Ich mag Euch trotzdem, egal wie ihr spielt“, buk (elegante Angeber-Vergangenheitsform von „backen“) sie imaginäre Glückskekse, wie man sie sonst nur nach einem ausgedehnten asiatischen Büffet im Pagoda ausgehändigt bekommt.

Anders als in chinesischen Glutamat-Tempeln, enthielten die verschriftlichen Gebäckdreingaben des Duos Witte / Käschel jedoch keine austauschbaren Durchhalteparolen vom Bodensatz sonntagmorgendlicher Fußballtalkshows, sondern wiesen konkrete Verbesserungspotentiale samt Lösungsstrategien aus. Die Spieler steigerten sich sowohl individuell als auch als Mannschaft und spätestens nach dem zweiten Sieg gegen Gitter wusste auch die skeptische regionale Fußballszene, wohin der Weg führen würde.
Überregional musste zunächst noch Vermittlungsarbeit geleistet werden. „Ah, da kommt ja Eure Kindertruppe“ wurde man beim BSC Acosta recht flapsig begrüßt, doch spätestens als Mehdi Mohebieh plötzlich Bartwuchs ins Spiel brachte und Moritz Bartels eine Viertelstunde vor Abpfiff zum 1:0 Auswärtssieg netzte, stellte der Gegner ehrfurchtsvoll die präventiv georderte Kiste Erdbeermilch in den Kühlschrank zurück und trug anerkennend eine Kiste Alster in Richtung der feiernden Gäste.

Influencer Zeidan

Ohne klar formuliertes Saisonziel gestartet, war für den objektiven Betrachter vor allem die charakterliche Zusammensetzung des Teams ein wichtiger Faktor des Erfolges. Dabei sind die Spieler durchaus verschieden. Gefragt nach dem „bodenständigsten“ Spieler im Team, nannte Steffen Witte u.a. seinen zuverlässigen Innen-/Außenverteidiger Robin M. (Namen aus Datenschutzgründen anonymisiert). Deshalb muss sich dieser nun im ultimativen Vergleich seinem Konterpart Zeidan Turgay stellen. Wie unterscheiden sich nun die Tagesabläufe beider Spieler?

Morgens: R. hat seinen Wecker auf 06.14 Uhr gestellt, bis zum Beginn der ersten Vorlesung ist alles durchgeplant. 3 Minuten Zähneputzen, Mundspülung, zweimal gurgeln, „to do“-Liste für den Tag schreiben und die abends zuvor gepackte Aktentasche von der Aktentaschen-Ablagefläche nehmen. Reifendruck am Fahrrad überprüfen und zur Uni radeln. Dort in die 3. Reihe setzen, denn die 1. Reihe ist was für Streber, letzte Reihe was für die Bus-Rowdies.

Z. wacht irgendwann von selbst auf und checkt sein Insta-Profil. Er setzt seinen bekannten Snapchat-Hypnose-Blick auf und schickt einen neuen Snap an Kumpel Enes Köse. Schnell Handy aufladen, Powerbank einpacken, ab in die Schule. Dort Mitschüler um Pausenbrot (Falafel) bitten.

Mittags: R. trifft Z. zufällig bei Efes. R. bestellt sich eine „Weizenbrotfladentasche mit geraspelten Fleischimitaten, Gemüsetopping und einer individuellen Saucen-Melange“. Z. nimmt „einen Döner mit allem und scharf“. Beide tauschen sich über das abendliche Flutlichtspiel aus. R.: „Ich vermute die Trainer lassen im 4-4-2 System agieren und setzen auf die erfolgreich erprobte Gegenpressing-Strategie.“ Z. stimmt zu: „Ich nehm die auseinander.“

Abends: Allen Unterschieden zum Trotz: R. und Z. harmonieren auf dem Platz perfekt, erfüllen ihre Aufgaben zuverlässig und Z. wird von seinen Followern vom Spielfeldrand aus bei seinem dritten gegnerischen Tunnel Instagram-geboomerangt. Wenn Z. nach Ballannahme den Körperschwerpunkt nach vorne verlagert, den typischen „Sommerpausen-Vor-Hotel-In-Dubai-Stehen“ Blick aufsetzt und auf die drei angsterfüllten Gegner zudribbelt, bleibt kein Auge trocken. Doppelpack Z., 2:0 Sieg und damit Sprung in die obere Tabellenhälfte. „Siehste R., hab auseinander genommen.“ – „Ja, und das Gegenpressing hat bis auf eine zwischenzeitliche Schwächeperiode Mitte des zweiten Spielabschnitts nahezu formidabel funktioniert.“ – „Genau Bruda.“

Diese idealtypische, gewiss überzeichnete Charakterisierung differenzierter Persönlichkeiten macht nicht nur den Reiz des Fußballsports allgemein aus, sondern skizziert auch die schwierige Aufgabe, vor der fast alle Trainer stehen: Aus talentierten Spielern binnen kurzer Zeit eine Mannschaft zu formen, die nicht nur sich selbst, sondern auch die Fans begeistern kann. Beides ist den Trainern und ihrem Funktionsteam gelungen.

Gänseliesel Gerda & Renate

In manchen Situationen fühlt sich aber auch ein junger Trainer überfordert. Ein Trainingsgast wollte zunächst nicht wahrhaben, dass mit den jugendlichen Dynamikern Steffen und Daniel Washausen tatsächlich Trainer und Vizepräsident des Vereins vor ihm standen. Er hatte sich Daniel wahrscheinlich als älteren Anzugträger und Steffen als leicht übergewichtigen Träger eines Trainingsanzugs im Neonfarbenen 90er Jahre Style mit Trillerpfeife um Hals und Rasierklingen unter den Achseln ausgemalt. Washausen klärte die Situation glücklicherweise schnell auf, verschwieg aber die Funktionen weiterer anwesender Personen: Justus Richter als Bereichsleiter Sponsorenakquise, Jannis Wenzel als Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Noah Tacke als Niedersächsischer Kultusminister, Niklas Neumann als Hospitant der Jugendakademie Bayern Münchens, Sören Boy als Göttinger Polizeipräsident a.D. und Gerda Brocks als Gänseliesel.

Mit diesen und weiteren Göttinger Prominenten im Kader steht zur Winterpause eine mehr als respektable Platzierung, die Hoffnung auf eine erfolgreiche Zukunft nährt. An dieser wird ab Anfang März weitergearbeitet, wenn Z. Turgay zum Rückrundenauftakt bei Vahdet Braunschweig den Auseinandernehm-Modus reaktiviert.

Wir sehen und lesen uns.

Autor: Gastbeitrag von Daniel Vollbrecht (Wettschulden sind Ehrenschulden)

Eine Antwort

  1. Gerda Brocks sagt:

    Der Rückblick unserer Mannschaft ist genau das Bild unserer 1. Mannschaft. Gerade Anhänger aus meiner Generation war ob der starken Verjüngung sehr skeptisch. Ich habe denen dann gesagt „wenn Ihr mal die Spiele der U 19 angeguckt hättet, dann wüsstet Ihr, welches Potential in unserem Nachwuchs steckt“. Ich hatte recht. Wir haben eine Mannschaft, die ein Wirgefühl in sich tragen und von 3 Trainern super geführt werden. Übrigens, ich habe wirklich während meiner beruflichen Zeit bei einer Veranstaltung in der Uni das Gänselisel mit Korb und Gans gespielt und auf einem imaginären Brunnen meinen Lieblingsprofessor geküsst. Nun zurück zum Hier und Heute. Unser Verein ist auf einem sehr guten Weg. Ich danke allen, die die Ärmel hochgekrempelt haben und kreativ anpacken. Ich jedenfalls bin begeistert.