Totti´s China-Blog (4)

Aprilwetter im März

Am Freitagvormittag habe ich zunächst den Deutschunterricht von Herrn Li besucht. Er hat die Gelegenheit direkt genutzt und mich als Muttersprachler 90 Minuten lang den Unterricht mit seinen drei Schülern leiten lassen. So waren zunächst einmal meine Qualitäten als Deutschlehrer gefragt. Nach dem Unterricht gab es dann das wohlverdiente Mittagessen in einem kleinen Imbiss um die Ecke. Fladenbrot gefüllt mit Hackfleisch und Gemüse, eine Suppe und eine Dose Coke für zwei Personen gab es für nicht mal 25 Juan (3 bis 4 €).

Für den Nachmittag war dann geplant das Fußballtraining des Fußball Clubs zu besuchen. Leider herrscht seitdem ich hier bin das für uns klassische Aprilwetter, es ist nass-kalt und regnet jeden Tag. Der einzig wirklich warme Tag mit 16 Grad und Sonnenschein war der Samstag, aber den habe ich im Flugzeug und dem Schnellzug verbracht. Auf Grund der Witterungsbedingungen wurde das für heute angesetzte Training dann leider kurzfristig abgesagt. Die Leute hier vor Ort scheinen das Training ähnlich schnell abzusagen wie in Göttingen unser Hartplatz für das Training gesperrt wird. Als Alternativprogramm habe ich den Fitnessraum im Hotel aufgesucht und eine 30 minütige Einheit auf dem Laufband sowie ein paar Sätze am Latzug absolviert.

 

Besuch des Konfuzius Tempels

Am Samstag stand eine kleine Stadtführung auf dem Programm. Vormittags besuchten wir den Konfuzius Tempel in Quzhou und ich konnte ein bisschen über die Familiengeschichte sowie deren Ansiedlung in Quzhou erfahren. Die ganze Tempelanlage ist sehr grün angelegt und hat im hinteren Bereich einen riesigen Garten mit einem groß angelegten Teich. Nach dem Mittagessen ging es für einen Verdauungsspaziergang in einen nahegelegenen Park in dem zu meiner Verwunderung eine riesige katholische Kirche zu finden war. Wie mir berichtet wurde ist diese Kirch erst vor ein paar Jahren gebaut wurden.

Da der Regen auch an diesem Nachmittag nicht mehr aufhören sollten sind wir dann in ein britisches Kaffee gegangen. Zum Aufwärmen gab es heiße Schokolade und Zitronentee. Dort konnte ich den englischen Besitzer kennenlernen, der in China studiert hat und bereits seit sieben Jahren hier lebt. Sein eigentlicher Plan war es einen typischen englischen Pub zu eröffnen. Dies sei in China aber nicht möglich, da die Leute gerne essen gehen und nicht einfach nur trinken wollen. Zum Abendessen ging es dann noch in die Innenstadt wo ich in einem kleinen Imbiss lokale Spezialitäten kosten konnte.

Nachmittagstee mit dem ehemaligen zweiten Bürgermeister von Quzhou

Beim gemeinsamen Frühstück im Hotel fielen mir die vielen Überwachungskameras auf, die überall in der Stadt angebracht sind. Herr Li erklärte mir daraufhin, dass diese flächendeckende Videoüberwachung sehr wertvoll in der Verbrechensbekämpfung sei. Neben der deutlich besseren Aufklärungsquote durch modernste Softwareerkennungsprogramme hat es auch eine abschreckende Wirkung. Umgangssprachlich wird in China ein Verdächtiger von der Polizei zum Tee eingeladen. Diese Einladung zum Tee kann durchaus mal ein paar Tage dauern.

Nach dem Frühstück ging es dann gemütlich zu Fuß in die Altstadt wo es unter anderem noch den alten Glockenturm zu sehen gibt. Früher diente dieser natürlich dazu den Bewohnern der Stadt die Uhrzeit mitzuteilen. Heutzutage ist er eine kleine Touristenattraktion, denn gegen ein paar Juan darf man hier selbst die Glocke zum Klingen bringen. Zufälligerweise lief mir der Besitzer des englischen Lokals über den Weg und wir hielten einen kleinen Plausch, dieser sollte sich am Abend noch als sehr nützlich erweisen.

Pünktlich zum Mittagessen setze dann natürlich wieder heftiger Regen ein. Diesmal gab es Reis mit Hackfleisch und Käse überbacken. Dabei kam die Frage auf, ob das nicht eher ein Norddeutsches Gericht sei? Anschließend trafen wir dann den ehemaligen zweiten Bürgermeister von Quzhou und heutigen Politiker in der Provinzhauptstadt Hangzhou.

Wir waren zum Nachmittagstee in ein über 100 Jahre altes Wohnhaus eingeladen, welches zur damaligen Zeit von einer sehr reichen Familie bewohnt wurde. Dieses historische Wohnhaus gehört heutzutage der Stadt Quzhou. Sie stellt es dem ehemaligen Lokalpolitiker fürs Wochenende zur Verfügung um seinen Freizeitaktivitäten wie der Kalligrafie nachzugehen.

Mit dem Fahrradtaxi ging es dann zurück ins Hotel. Per WeChat (quasi das chinesische Whatsapp) habe ich dann nochmals Kontakt zu dem Briten aufgenommen und von ihm genaue Informationen bekommen wo ich die Fußball Bundesliga schauen kann. Damit war der Abend (oder besser gesagt die halbe Nacht) gerettet. Nach den beiden Partien Mainz – Schalke sowie Gladbach – Bayern setzte hier in Quzhou mitten in der Nacht ein heftiges Gewitter ein. Da man bei dem Krach eh nicht schlafen konnte nutzte ich die Zeit für ein Telefonat mit meinem Co-Trainer Jürgen Bock und habe mich detailliert über unser U17-Spiel am Samstag informiert.

 

Mein zweiter Unterrichtsbesuch

Mit dem Taxi ging am Montagvormittag für mich wieder zum Deutschunterricht. Die Taxifahrt quer durch die Stadt kostete schlappe acht Juan (etwas mehr als ein Euro). Zuerst habe ich die Schüler auf Deutsch von ihren Erlebnissen vom Wochenende berichten lassen. Das freie Sprechen von ganzen Sätzen stand dabei im Vordergrund, was ein wichtiger Bestandteil beim Lernen einer fremden Sprache ist. Auch beim Arbeiten mit dem Lehrbuch muss man die Schüler immer wieder daran erinnern nicht nur einzelne Wörter sondern ganze Sätze als Antwort zu geben. Im April steht für die drei Schüler ein Sprachtest vom Goethe-Institut an. Es ist natürlich eine schöne Sache sie dabei zu unterstützen diese Prüfung zu meistern.

 

Besuch beim Fußballtraining der High School

Am Dienstagnachmittag ging es zum Fußballtraining der Quzhou First High School. An der Schule sind ca. 2300 Schüler zu Hause, die unter der Woche dort leben und nur zum Wochenende nach Hause fahren. Außerdem hat sie ein spezielles Programm für talentierte Sportler und nimmt diese auch dann auf der Schule auf, wenn sie die erforderlichen Schulnoten nicht aufweisen sollten. Dadurch sammeln sich natürlich die besten Fußballer der U18/U17 an dieser Schule. Die Schulmannschaft hat fünf Mal in der Woche 90 Minuten Training, sofern es nicht wegen schlechter Witterungsbedingungen ausfällt. In den letzten acht Jahren in Folge konnte die Schulmannschaft die Stadtmeisterschaften in Quzhou gewinnen und ist somit im lokalen High School Fußball noch dominanter als der FC Bayern in der Bundesliga.

Ich habe bei dem heutigen Training erstmal als Beobachter fungiert und war das beliebte Porträt von zwei Journalisten, die über mich und meinen Besuch in der örtlichen Presse berichten werden. Die Englischlehrerin der Schule hat mir während des Trainings so einiges berichtet und fungierte als Dolmetscherin. Nach der Trainingseinheit hatte ich noch ein paar individuelle Ratschläge für einzelne Spieler und hoffe, dass die junge Frau das alles richtig übersetzt hat. Sofern der Schulleiter dem Willen des Trainers zustimmt soll ich in den kommenden Tagen dann auch aktiv an der Trainingsgestaltung der Schulmannschaft beteiligt werden. Ich bin sehr gespannt wie sich das Training und die Kommunikation mit den Spielern gestalten werden.

Beim gemeinsamen Abendessen erzählte mir der Sportlehrer (und Trainer der Schulmannschaft) von seinem dreimonatigem Aufenthalt beim FC Toulouse in Frankreich. Dieser war damals über die chinesische Regierung organisiert wurden. Er habe dort unter anderem gelernt wie eine Trainingseinheit aufgebaut wird und war sehr daran interessiert wie es bei uns in Deutschland gemacht wird. Die Grundsätzliche Struktur die er dort kennengelernt hat mit Aufwärmprogramm, Technikübungen, spieltaktischen Situationen und einem Abschlussspiel ist natürlich auch auf den meisten deutschen Fußballplätzen Trainingsalltag. Außerdem hat er einen Vergleich zu chinesischen Trainer gegeben, die anscheinend nicht so aufgeschlossen für neues sind wie er und gerne an ihren traditionellen Trainingsmustern festhalten.

Während der Rückfahrt zum Hotel konnte ich dann noch genauer erfahren wie sich der Jugendfußball in Quzhou gestaltet. Der Fußballverein mit seiner Herrenmannschaft hat aktuell direkt keine eigenen Jugendmannschaften. Der komplette Jugendfußball läuft über die Schulen und hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich die Talente sowohl in der Grundschule, der Middle School als auch der High School jeweils auf fast nur eine Schule konzentrieren. Bei Vergleichsspielen innerhalb der Stadt sollen sie derart Konkurrenzlos sein, dass viele schon gar nicht mehr gegen sie antreten. Talentierte Spieler anderer Schulen könnten sich dadurch auch nicht optimal weiter entwickeln oder gehen dem regionalen Fußball ganz verloren. Überregionale Wettkämpfe finden wohl nur zwei- bis dreimal jährlich statt und könnten den mangelnden Wettbewerb sowie den fehlenden regelmäßigen Spielbetrieb vor Ort nicht ersetzen.